Ich bin gefragt worden, warum ich nicht die letzten beiden Folgen Star Trek: Discovery reviewt habe. Das lässt sich leicht beantworten: Die Serie ist so schlecht, dass es keinen Spaß macht, sich permanent mit ihr zu beschäftigen. Sie scheitert auf ganzer Linie.
Als Star Trek-Fan mag ich da auch ein Stück weit voreingenommen sein, keine Frage. Mir missfällt einfach der Ansatz, der mehr als 50 Jahren alten Originalserie eine Vorgeschichte reinzudrücken, die – wie zu befürchten war – kein bisschen in den etablierten Kanon passt. Dabei geht es mir gar nicht so sehr um die Darstellung der Technik. Lässt man sich im Internet über die Serie aus, wird man aber gleich zum Pappkulissen-Forderer. Altklug bekommt man sinngemäß zu hören: Wie doof du bist, man kann doch heute keine Serie mehr in Sets von 1966 drehen.
Nehmen wir an der Stelle einfach mal hin, dass ein Prequel zehn Jahr vor TOS nötig war. War es natürlich nicht, die Idee ist affig, aber wir tun mal so. Dann spräche ja trotzdem nichts dagegen, wenn man wenigstens den Stil der Vorlage einzufangen versucht. Die bekannten Farben und Formen hätte man ohne Probleme zu einer modernen Kulisse verarbeiten können.
Die Macher von STD haben es im Finale der ersten Staffel – wohl als Rattenfänger, damit der geschundene Fan dranbleibt – selbst vorgemacht. Dort taucht eine U.S.S. Enterprise auf, die nicht mehr auf dem Originalmodell basiert. Sie macht trotzdem viel her, weil sie die Vorlage gut genug einfängt und gleichzeitig mit allen Details aufwartet, die man von einer modernen Serie erwartet. Das hätten die Macher also von Anfang an haben können. Aber es war nicht gewollt. Dadurch wirkt die überarbeitete Enterprise jetzt wie ein Fremdkörper in der Serie.
Ich bezweifle auch, dass die Produzenten zur Beliebigkeit gezwungen wurden. Alles mit Hologrammen und Blaufiltern zuzupflastern, war eine ganz bewusste Entscheidung. Kurtzman und sein Team haben ihren Untergebenen die explizite Anweisung erteilt, 08/15-Modelle statt Star Trek-Schiffe zu designen. Sie wollten den Hyperraumeffekt aus Star Wars anstelle des bekannten Warp-Effekts einbauen und auch die Klingonen in Orks verwandeln.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Bis zum Esoterikkitsch namens Sporenantrieb, demzufolge es sich beim Weltraum in Wahrheit um einen bunten Märchenwald handelt, in dem jeder nach Belieben durch Raum und Zeit hüpfen kann. Er muss sich nur die richtigen Mittelchen spritzen und Händchen haltend ums Lagerfeuer tanzen.
Falscher Fokus und grausiges Schauspiel
Als ich das erste Mal davon hörte, dass bei Discovery der Fokus nicht länger auf dem Captain liegt. Als mir zu Ohren kam, dass es um einen Offizier mit zweifelhafter Vergangenheit geht, stimmte mich das positiv. Anders als unterstellt wollten nämlich auch wir „Alt-Fans“ keinen erneut aufgekochten TNG-Aufguss. Damals ging ich jedoch naiverweise davon aus, man würde sich an modernen, horizontal erzählen Serien orientierten. Game of Thrones womöglich oder zumindest eine der besseren Serien, die heute so zahlreich sind, dass man mit dem Gucken kaum hinterherkommt.
Stattdessen haben die Produzenten eine Mary Sue erschaffen, die grundsätzlich alles besser weiß und nur unter tragischen Umständen scheitert. Jeden, vor allem Männer, lässt sie neben sich als absolute Deppen dastehen. Im Zweifel landen Kerle neben Burnham als Blutfleck auf der Windschutzscheibe. Während man die Probleme früher gemeinsam als Teil eines längeren Arbeitsprozesses gelöst hat, zieht nun Michael Burnham situationsrettende Zauber aus ihrem Zylinder. Zauber trifft es dabei ganz gut, denn die von ihr präsentierten Lösungen ergeben in der Regel keinen Sinn und kommen erst im allerletzten Moment. Notfalls oder eher im Regelfall wird die Handlung entsprechend zurechtgebogen. Hauptsache Michael Burnham liegt mit allem richtig. Burschenschnitt und Männername sind noch das Innovativste am Konzept der Figur.
Manchmal darf auch Tilly etwas vermeintlich Cleveres raushauen. „This is the power of math“ zum Beispiel. Dann muss man aber schon Glück haben, denn ihr Geschwurbel ist meist noch sinnfreier. Sie soll so was wie eine Autistin darstellen, ist aber eigentlich nur für den Trash-Comedy-Faktor gut.
Während Tilly von Mary Wiseman immerhin brauchbar gespielt wird, kann man das von Michael Burnham nicht behaupten. Sonequa Martin-Green muss ihr Handwerk auf einer Baumschule gelernt haben. Zu ihrem Standardrepertoire zählen genau zwei Gesichtszüge: weit aufgerissene Augen und völlige Ausdruckslosigkeit. Vor allem Ersteres ist an Nervigkeit schwer zu übertrumpfen. In letzter Zeit erlebt man die aufgerissenen Augen fast nur noch im Zusammenhang mit Tränen und/oder lautem Geschrei. So oft wie Burnham auf die Tränendrüse drückt, müsste sie eigentlich schon wegen Flüssigkeitsmangel am Tropf hängen. Auslöser sind in der Regel Konflikte auf Beverly Hills, 90210-Niveau. Comicquatsch wie The Flash, dem ich seine Kurzweiligkeit gar nicht absprechen will, erscheint dagegen tiefsinnig.
Zu viel „Willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit“
Um sich mit einer Science-Fiction-Serie zu arrangieren, muss man sich auf deren Gesetzmäßigkeiten einlassen. Bei Star Trek wären das etwa die Machbarkeit des Warpantriebes, die Fähigkeit zu beamen, Raumanomalien und dergleichen. Wenn die Charaktere Fußball spielen, unterliegt das Verhalten des Balls aber trotzdem noch den uns bekannten Gesetzen der Physik. Außerdem benehmen sich Menschen immer noch wie Menschen. Bei Star Trek Discovery ist das nicht länger der Fall. Vor allem ändern sich die Gesetze der Serie dauernd. Was in der einen Folge gesagt wird, gilt in der nächsten schon nicht mehr. Deus Ex Machinas haben intelligentes Storytelling fast vollständig ersetzt.
In 2×11 (der Zeitsturm/Perpetual Infinity) erfahren wir etwa, dass Michaels Mutter beim Versuch, einen Überfall durch die Klingonen zu verhindern, per Zeitreiseanzug bloß einen Augenblick zurückspringen wollte. Das ging in die Hose, weil die Zeit, neuerdings eine launenhaftes Wesen, sie an einen kargen Planeten in weit entfernter Zukunft verankert. Jedes Mal, wenn sie in die Vergangenheit reist, um die Vernichtung des Universums zu verhindern, wird sie in die Einöde zurückgezogen. Die Zeit „will es so“, erklärt man uns mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der man frischen Fisch nicht in der Sonne liegen lässt. Die Zeit als launisches Wesen steht nicht nur mit dem Kanon im Widerspruch, es ist generell völliger Humbug. Zumal Muttis Anzug offenbar über unendlich viel Energie verfügt, sie über Jahre mit Nahrung versorgt, laut Burnham unendlich viel Speicher bietet und die Frau auf dem kargen Planeten komischerweise immer weiß, wann sie in die Geschichte eingreifen muss, um Michaels Ableben zu verhindern. Gibt es auf dem Planeten etwa so was wie Wikipedia?
Eine Folge später erfahren wir, dass der magische Zeitkristall des Anzugs auf einem bereits aus TNG bekannten Planeten wächst. Dort wachen Ork-Klingonen in einem Harry-Potter-Märchenschloss über die Kristalle. Im Prinzip kann dort jeder einen mitnehmen, der ein Opfer bringt. So empfängt Pike eine Vision, die ihn mit seinem aus TOS bekannten Alter Ego im Rollstuhl konfrontiert. Noch sei sein Schicksal nicht besiegelt, heißt es verschwörerisch. Wenn er ihn allerdings mitnimmt, was er pflichtbewusst tut, landet er in zehn Jahren mit geschmolzenem Gesicht im Rollstuhl. Solchen Fantasy-Schrott findet man in Discovery nur. Angesichts der mittlerweile gebotenen Cyborg- und Nanitentech ist es ohnehin völliger Quatsch, dass Pike ein solches Schicksal ereilt. Airiam konnte man neulich auch noch in einen Roboter verwandeln. Andere bestehen sogar komplett aus Naniten.
Minderwertige Drehbücher, Plagiate, Logikfehler und peinliche Dialoge
Auch innerhalb der Kurzman’schen Gesetze der Physik sind die Geschichten allenfalls auf Amateur-Niveau geschrieben. Von Show, don’t tell haben die Drehbuchschreiber zum Beispiel noch nie gehört. Macht aber nichts, denn man kann von der Handlung ja noch mit reichlich Lensflares und anderen Leuchteffekten ablenken.
Nachdem Leland in 2×10 vermeintlich tot liegen bleibt, wird er in 2×11 zu eine Art Genisys-Terminator auf Nanitenbasis umgebaut. Er ist damit fortschrittlicher als jeder Borg, verfügt über übermenschliche Reflexe und mindestens die Stärke eines Soong-Androiden aus dem 24. Jahrhundert. Wenn es die Story verlangt, kann man ihn trotzdem wie jeden anderen wegboxen. Lustigerweise ist fast jedes Story-Element im Zusammenhang mit Control aus den Terminator-Filmen geklaut. Seine Verwandlung wiederum entspricht fast dialoggleich Begegnungen mit den Borg, nur dass man einzelne Wörter bewusst durch Synonyme ersetzt hat. Kreativität sieht anders aus.
In 2×12 (Through the Valley of Shadows/Tal der Schatten) gibt es noch so ein Wesen. Das kann man nicht mal durch Phaserbeschuss aufhalten, wohl aber wegschieben, solange man Michael Burnham heißt. Natürlich war von vornherein abzusehen, dass die KI namens Control sich dieser Person ermächtigt hatte. Es mutet also mindestens seltsam an, dass Burnham ihr zunächst auf den Leim ging. Aber sei’s drum, es kümmert ja auch keinen, dass die Motive der KI denen von Skynet entsprechen und immer noch keiner weiß, welchen Zweck das von ihr geplante Armageddon hat.
Am Ende steuert die KI alle Schiffe von Sektion 31 fern und lenkt sie Richtung Discovery, um sich die dort gespeicherte Alien-Bibliothek anzueignen. Macht Control angeblich noch schlauer. Die Bibliothek kann man komischerweise nicht mehr löschen, nicht mal den Speicher zerstören. So bleibt Pike nichts anders übrig, als die Selbstzerstörung zu aktivieren.
Die rechtsterroristische Massenmörderin Georgiou wird auch immer mehr zur Sympathieträgerin umgeschrieben. In 2×11 gibt es sogar Lob von Burnhams Mutter. Ich bin natürlich nicht mit allem vertraut, was so auf Netflix und Co. läuft, aber solche Macho-Weiber dürfte es in keiner anderen Serie geben. Normalerweise gastalten sich Georgious Auftritte so, dass sie erst einem Kerl einen Spruch reinwürgt und dann irgendwas Tollkühnes macht. Sich so weit beim in die Fresse Treten verrenken, zum Beispiel, dass ihr eigentlich die Hüfte auskugeln müsste.
Gucke es nur, weil Star Trek draufsteht
Jetzt habe ich doch wieder ausschweifend über die letzten Folgen hergezogen. Es ist halt so: Ich schaue STD nur wegen des Namens, weil man als Fan des Franchises, nicht der Serie, im Bilde bleiben möchte. Ansonsten hätte ich Discovery angesichts der katastrophalen Qualität längst aufgegeben.
Aus meiner Sicht scheitert die Serie auf allen Ebenen. Ich würde sogar behaupten, dass es sich bei Discovery um die schlechteste aller größeren Serien handelt – und zwar mit Abstand. Nicht umsonst liegt sie bei Rotten Tomatoes beim Audience-Score inzwischen unter der 50-Prozent-Schwelle. Geschichten erzählen, das geht heute anders. Und Star Trek sowieso. Aber das wird Showrunner Alex Kurtzman nie lernen.
Ich werde jetzt nicht das letzte Mal über die Serie geschrieben haben, so ist das nicht. Das Staffelfinale werde ich bestimmt noch mal aufbereiten. Aber erwartet nicht, dass ich mich diesem Schrott jede Woche voller Hingabe widme.
Zusätzliche Bildnachweise: CBS/Netflix
Ein Kommentar zu „Warum ich Discovery 2×11 und 2×12 nicht reviewt habe – und es nun doch ein bisschen tue“