Star Trek Discovery Staffel 3: Offen faschistisch oder grottenschlecht geschrieben?

Da ich keinen Bock hatte, mich wöchentlich mit dieser bekloppten Serie zu beschäftigen, schrieb ich nur sporadisch Kritiken zur dritten Staffel von Star Trek: Discovery. Nun, da das Elend ein Ende hat, gibt es von mir einen speziellen Rückblick auf Discovery Staffel 3. Es ist ein Review mit Fokus auf die fragwürdige Moral der Serie und den schmalen Grat zwischen Dummheit und Faschismus.

Heute blicke ich auf die dritte Staffel von Star Trek: Discovery. Bevor ihr aufstöhnt und direkt wieder das Weite sucht: Ich werde nicht zum 27. Mal im Detail durchkauen, wie idiotisch es ist, einen autistischen Ensign ohne Kommandoerfahrung zum ersten Offizier zu krönen oder eine geistig Verwirrte zum Captain. Auch soll es nicht um die zahllosen Plotholes gehen, nicht um das ewige Geflenne. An die biblische Allwissenheit der Michael Burnham, die jeden noch so komplizierten, noch so lange schwelende Konflikte durch das theatralische Aufreißen ihrer Augen löst, sei ebenfalls letztmalig erinnert. Die folgenden Zeilen befassen sich stattdessen mit dem fragwürdigen Menschenbild der Serie.

Mir ist klar, dass manche nur der Kurzweiligkeit wegen Discovery schauen. Seit dem Finale der dritten STD-Season wird der eine oder andere schon neun weitere Serien auf Netflix gebingewatcht haben und acht wieder vergessen. Aber gerade für diejenigen lohnt vielleicht dieser spezielle Rückblick, um sich mal bewusst zu machen, was für ein widerwärtiger Mist einem da die letzten Wochen aufgetragen wurde. Absurdes bis abscheuliches Verhalten ist leider kein Alleinstellungsmerkmal von STD Season 3 (oder Picard oder den Short Treks oder den Reboot-Filmen). Aus aktuellem Anlass hinterfrage ich aber nur die letzte Discovery-Staffel.

Discovery Staffel 3: Schon in der ersten Folge mordet Burnham wahllos

Alles fängt damit an, dass Michael Burnham einsam und verlassen im 32. Jahrhundert landet. Sie stößt dort auf einen verwahrlosten Herrn namens Book, der sie erst angreift, ihr dann aber Zutritt zu einer Alien-Stadt verschafft. Drei Meter hinter dem Eingang hintergeht er sie. Wegen Vortäuschung falscher Tatsachen wird Burnham kurz darauf festgenommen und verhört. Plötzlich hilft ihr Book, da aus anderen Gründen nun selbst in Gefahr, aus der Patsche. Und schon verdampfen sie reihenweise Aliens. Ohne Skrupel und ohne irgendwas zu hinterfragen. Technisch mag das alles ganz nett anzuschauen sein, moralisch kommt es jedoch einer Bankrotterklärung gleich. Burnham kann hier nämlich noch gar nicht wissen, wer ihr wie gesinnt ist. Trotzdem ermordet die hochdekorierte Sternenflottenoffizierin kaltblütig die Sicherheitskräfte einer ihr vollkommen fremden Stadt. Sich den Behörden zu ergeben, um die Sache zu klären, scheint für die Gottgleiche erst gar keine Option zu sein.

Die zweite Folge widmet sich primär der Discovery-Crew, die unabhängig von Michael Burnham in der Zukunft landet. Mein absoluter Hasscharakter, die mehr Tote als Hitler und Stalin zu verantworten habende Philippa Georgiou, stolziert in ihrer arroganten Art schon nach wenigen Minuten durch die Korridore. Leichenteile kleben ihr noch an den Schuhen. Anschließend zeigt die Kamera einen jungen Mann, der die zu Pampe zerfallenen Überreste von Leland mit Eimer und Schaufel beseitigt. Reno macht sich, als starke Frau, über den Kerl lustig, stellt klar, dass ihr sein Name am Allerwertesten vorbeigeht. Deutlich wird: Wer auf dem Schiff die Drecksarbeit erledigt, ist nur eine Nummer.

Funfact: Die herabgewürdigte Putzkraft stellt sich als Gene vor. Wohl als Anspielung auf den Star Trek-Erfinder.

Proteste dienen in Discovery Staffel 3 nur als Feigenblatt

Kaum hat der Zuschauer seinen Durst nach Menschenschlamm und sozialer Kälte stillen können, setzt Georgiou auch schon wieder Crewmitglieder herab, allen voran den das Kommando innehabenden Saru. Wie in der Staffel davor lässt man ihr jede Niederträchtigkeit durchgehen. Nicht einmal angedeutet wird die Idee, die millionenfache Mörderin mal endlich einzubuchten. Ob es an ihrem Geschlecht liegt oder der schicken Lederkluft, muss der Zuschauer selbst herausfinden.

Es folgt ein Gauner, der für sein Leben gerne foltert. Seine Waffe und die seiner Männer scheint dafür sogar eigens kalibriert: Bevor die Pistole jemanden tötet, lässt sie zunächst des Opfers Adern aufquellen. Saru und Tilly versuchen es mit Diplomatie, allerdings wird Georgiou Recht behalten und die Situation mit brutalster Gewalt lösen müssen. Saru gibt zwar vor, diese zu verurteilen, aber erst, nachdem Menschen gestorben sind. Am Ende lässt er kurioserweise zu, dass man den übrig gebliebenen Schurken der tödlichen Kälte des Planeten überlässt. Wozu also das ganze Gerede um die föderierten Werte, wenn sie nur 30 Sekunden später nicht mehr gelten? Saru wirkte bereits davor wie ein unbelehrbarer Gutmenschen-Trottel. Als wollte man dem Zuschauer die Notwendigkeit brutalster Gewalt regelrecht einhämmern.

Versteht mich nicht falsch. Ich finde es im Prinzip gut, dass Saru Georgious Moralvorstellungen widerspricht. Das wird er im Verlauf der Staffel immer wieder tun. Doch er lässt die Massenmörderin auch genauso häufig von der Leine, kommt nicht mal auf die Idee, sie für ihre Taten festzunehmen. Sarus Worthülsen sind damit nicht mehr als ein wohlfeiles Feigenblatt. Jeder, der Discovery einen Gewaltporno schimpft, bekommt jetzt einfach einen Satz von Saru vor den Kopf geschmissen. In US-Foren diskutieren viele Fans bereits so. „Stimmt alles nicht, das ist Star Trek pur. Hast du Saru nicht zugehört?“

Selbst Rassenlehre hat in STD Season 3 seinen Platz

Kurtzman hat an gewaltaffinen Bösewichten einen Narren gefressen – so weit, so bekannt. Keimt doch mal Optimismus auf, dass die sogenannte Smaragdkette selbst Opfer der Umstände sein könnte, mehr zu bieten hat als Sklaverei, Folter und waffenstarrende Schiffe, macht die Serie es gleich wieder zunichte. So wirft dieselbe Anführerin, die bei der Föderation Hoffnung auf ein Bündnis weckt, ihren eigenen Neffen Alienkreaturen zum Fraß vor, hackt Körperteile ab und streckt Vertraute eiskalt nieder.

Georgiou bleibt in Season 3 freilich die schlimmste Übeltäterin. Ein Problem meldet nicht mal die wiederentdeckte Sternenflotte an. Kein „Moment mal, die hat doch Milliarden auf dem Gewissen“, keine Festnahme oder wenigstens ein in die Mangel nehmen. Nichts. Weder wegen Georgious neuerlichen Ausfällen noch wegen ihrer Vergangenheit als Völkermörderin. Ein von David Cronenberg gespielter Charakter fühlt ihr im Namen der Sternenflotte zwar ein paarmal auf den Zahn, hat aber wenig an ihrer Funktion an Bord der U.S.S Discovery auszusetzen. Sie könne nichts für ihre Gesinnung, wie er betont, im Spiegeluniversum tragen die Menschen Bösartigkeit in den Genen. Das muss man sich echt auf der Zunge zergehen lassen. Star Trek lehrt den Zuschauer im Jahr 2021, dass uns die genetische Abstammung zu schlechten Menschen macht. Akzeptieren und fördern soll man den Faschismus gefälligst auch; weil die Geburtnazis ihn sich ja nicht ausgesucht haben?

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Female-Hitler als zweiter Hauptcharakter in Season 3

Im Laufe der kommenden Episoden steigt die Massenmörderin zur zweiten Hauptfigur nach Burnham auf. Drei Folgen vor Abschluss reist sie überraschend wieder ins 23. Jahrhundert des Mirror-Universum, wo sie einen riesigen Leichenberg hinterlässt. Wissend, wie es ohne Kursänderung mit dem Imperium endet, lässt sie jetzt allerdings Einzelpersonen am Leben. Das reicht dem angeblichen Hüter der Ewigkeit, um sie als Geläuterte zu adeln. Auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Da präsentiert Kurtzman uns die grausamste Star Trek-(Doppel-)Folge aller Zeiten – und man soll die Massenmörderin noch dafür ins Herz schließen, dass sie ein bisschen weniger Verheerung anrichtet.

Nach Logik der Autoren hätte vermutlich auch Adolf Hitler eine zweite, nur zu 90 Prozent blutige Chance verdient. Die Crew der Discovery folgt offenbar dieser Logik, denn sie zollt der Diktatorin nach ihrem Fortgang allerhöchsten Respekt. Gar nicht so schlimm gewesen sei sie, bloß ein Quälgeist, den man jetzt schmerzlich vermissen wird. Wo liegt hier bitte die Moral von der Geschicht‘? Betrachtet Alex Kurtzman massenmordende Regime als nice Sache, solange auch Frauen und Nichtweiße dran teilhaben?

Bevor nun eingefleischten Kurtzman-Fans der rechte Arm nach oben schnellt: Showrunner Alex Kurtzman und seine Truppe werden sicherlich keinen Hang zum Faschismus haben, das wäre ein bisschen zu viel des Bashings. Kurtzman scheint jedoch erstaunlich unreflektiert zu sein, unfähig, Botschaften und komplexe Inhalte zu vermitteln. Man sieht es ja an seiner Vita: Früher schrieb er an Xena und Hercules mit, zeitweise an den Transformers-Filmen. Gute Drehbücher sind einfach nicht Teil seines Repertoires. Stattdessen Klischee über Klischee im schlecht adaptierten Stoff anderer Leute.

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Discovery Staffel 3: Warum tue ich mir das noch an?

Gelegenheitszuschauer werden sich vielleicht fragen, warum mich die fragwürdige Moral des Alex Kurtzman überhaupt kümmert. Ich könnte doch einfach mit einer der vielen anderen Netflix-Serien glücklich sein. Tja, das könnte man. Dummerweise bin ich Star Trek-Fan und als solcher sind mir Zeiten in Erinnerung, als man noch etwas aus den Folgen mitnahm. Dadurch wurde ich überhaupt erst zum Fan dieses großartigen Franchise. Jetzt mitansehen zu müssen, wie Star Trek zur immer größeren Perversion verkommt, mag wehtun. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deshalb) werde ich es nicht unwidersprochen Binge-Watch-Konsumzombies überlassen.

Kurtzmans Star Trek-Versuch erinnert mich in seiner Gesamtheit an schlechte Comic-Machwerke wie die sich ständig selbst recycelten Arrow-Verse-Serien. Nur in schlechter. Dort wird ebenfalls sehr viel umarmt und vergeben, vor allem aber blutrünstig gemordet. Auch hat jedes Team mittlerweile einen geläuterten Massenmörder in den Reihen, den man trotz regelmäßiger Rückfälle vor den Mühlen der Justiz schützt. Gegner sind in den meisten Fällen facettenlos und der Bösartigkeit wegen böse. In einem Comic mag das alles noch seine Berechtigung oder vielmehr Belustigung haben. Von einer Star Trek-Serie hingegen erwarte ich eine weiterentwickelte Menschheit. Das setzt abwägende, intelligente, vielschichtige, sein Gegenüber respektierende Charaktere voraus. Davon war Discovery auch in Staffel 3 erneut Lichtjahre entfernt.

Weil ich darüber irgendwann noch mal separat bloggen möchte, werde ich jetzt nicht näher darauf eingehen, wen Kurtzman als neue Hauptzielgruppe anpeilt. Nur so viel sei verraten: Mit jünger oder moderner lässt sich die Verwahrlosung Star Treks nicht erklären. Das sind nur Schlagwörter, um Kritiker als gestrig zu denunzieren.

Zusätzliche Bildnachweise: CBS

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