Star Trek: Discovery – Kritik zu Episode Project Daedalus 2×09 [Massive Spoiler]

Nach einer überraschend gut geschriebenen Episode folgt der Sturz von der Klippe zurück in die Untiefen der Plotholes, windigen Dialoge und unglaubwürdigen Charaktere. Das ist besonders bedauerlich, weil erstmals Michelle Paradise für das Drehbuch verantwortlich zeichnete. Paradise ist nicht irgendwer. Die Dame wurde unlängst als Showrunner für die dritte Staffel bestätigt und es war natürlich zu hoffen, dass sie Akzente setzen würde. Mein Review, dieses Mal als Version einer Zusammenfassung, zu Project Daedalus.

Lügt Spock etwa nur?

Die Crew der Discovery gilt seit 2×08 „If Memory Serves“, in der sie den wegen Mordes angeklagten Spock aufgenommen hat, als fahnenflüchtig. Trotzdem lässt es sich Admiral Cornwell nicht nehmen, dem Schiff die Aufwartung zu machen. Sie schleicht sich in aller Heimlichkeit mit einem Shuttle an, um Pike stolz eine Videoaufnahme zu präsentieren. Darin sieht man, wie Spock aus der Irrenanstalt ausbricht und dabei seine Bewacher zur Strecke bringt. Spock betont natürlich weiterhin seine Unschuld. Er willigt daher einem Lügendetektortest ein, den er erwartungsgemäß besteht, der Cornwell aber nicht in Gänze überzeugt. Besagter Test ist ganz nett gemacht, greift rein durch seine Existenz sogar ein Element der Originalserie auf. Der Computer hatte seinerzeit schon Harry Mudd der Lüge überführt. Damals funktioniert das allerdings noch ganz altmodisch per Handauflegen. Das war den Machern von Discovery anscheinend wieder zu trist, also umkreisen nun smarte Hirnsonden Spocks Schädel wie Monde einen Planeten.

Neben dem jüngst dazugestoßenen Spock rückt eine weitere Nebenfigur in den Fokus. Airiam heißt der mysteriöse Cyborg, der bisher oft, aber eben nur im Hintergrund zu sehen war und von dem man nicht einmal wusste, dass es eine Sie ist. Zwei Folgen vorher hatte sie sich von der Crew unbemerkt mit einem Virus aus der Zukunft infiziert. Seither pfuscht sie fremdgesteuert an den Systemen des Schiffs herum. Warum ihre Augen jedes Mal wie die des Terminators leuchten, wenn der Virus übernimmt, wissen aber nur die Produzenten. Anscheinend muss bei denen immer alles plakativ sein.

Fehler der Vergangenheit rächen sich

Dass eine Nebenfigur ins Zentrum der Geschichte rückt, hatten Fans schon lange gefordert. Trotzdem tun sich die Produzenten damit keinen Gefallen. Dazu später mehr. Zunächst einmal erfahren wir, dass Airiam wegen eines Unfalls nach Deus-Ex-Art kybernetisch verbessert wurde, sie also, anders als vielfach vermutet, keinen Androiden spielt. Das hätte zwar nicht mit dem Kanon harmonisiert – Stichwort Data – aber den Machern ist inzwischen ja alles zuzutrauen. Was wir ebenfalls erfahren: Bei Airiam handelt es sich um eine der geselligsten und beliebtesten Personen auf dem Schiff. Ausgerechnet Tilly scheint ihre allerbeste Freundin zu sein. Moment mal, Freunde?

Laut Rückblicken, Adrian spielt regelmäßig ihre Erinnerung auf den Computer, sind alle miteinander per du. Tilly, Burnham, Steuerfrau Detmer und eben die Halbroboterfrau Airiam. Man spielt in seiner Freizeit anscheinend fleißig Kadis-kot, das sich schon auf der Voyager großer Beliebtheit erfreute – oder erfreuen wird. Das ist alles nur ein bisschen viel Enthüllung für eine Folge. Es hätte dem Plot ganz gutgetan, wenn man derartige Interaktion vorher schon mal hätte in die Handlung einfließen lassen. So wirkt das, was am Ende mit Airiam passiert, eher bemüht, als dass es den Zuschauer traurig zurücklässt. Adrian war nun mal nie mehr als eine Hintergrundfigur. Nachträglich kann man die Uhr mit ein paar netten Szenchen nicht zurückdrehen.

Spock und Burnham sind emotionale Wracks

Auch mit Spock hatte die Autorin kein glückliches Händchen. Der lässt, obwohl eigentlich wieder einigermaßen bei Sinnen, jedes Feingefühl vermissen. Während eines Schachspiels, das eigentlich nur als Vorwand für einen Schlagabtausch zwischen ihm und Burnham dient, erleidet er mal eben mehrere Wutausbrüche. Erst beschimpft er Burnham auf Übelste, macht sie quasi für alles Schlechte im Universum verantwortlich. Anschließend klatscht er das Schachbrett zu Boden. Und alles nur, weil er sich wundert, dass der Rote Engel ausgerechnet ihn heimgesucht hat. Das hat mit dem klassischen Spock wenig zu tun, fügt sich aber ganz gut in die Spock-Auslegung der Reboot-Filme ein, die wie nun Discovery offensichtlich eine Zielgruppe mit weniger Feingefühl ansprechen.

Die von Spock verunglimpfte Burnham, hat sie ihm doch gerade erst den Arsch gerettet, leidet natürlich massiv. Kraus gezogene Stirn, die Augen aufgerissen. Das kennt der Zuschauer mittlerweile. Man wundert sich inzwischen richtiggehend, warum Burnham sich noch keinem Therapeuten anvertraut hat. Andererseits: Soll sie halt leiden. Man neigt ja doch dazu, Mr. Spock Recht zu geben, so untypisch er sich auch verhält. Endlich geigt der Alleskönnerin mal jemand die Meinung.

Kanonbrüche und Marvel-Tech

Im Verlauf der Handlung kommt heraus, dass Sektion 31 mehr zu verbergen hat, als es den Anschein hatte. Also fliegt man kurzerhand zu deren Hauptquartier, das es laut Deep Space Nine gar nicht geben dürfte. Dort liegt auch die Heimat einer Künstlichen Intelligenz namens Control. Die dient nicht nur der neuerdings jedermann bekannten Geheimorganisation als nützliches Werkzeug, sondern offenbar der gesamten Sternenflotte. Darum ist Admiral Cornwell auch so besorgt. Keiner, auch sie selbst, kann seit Wochen mehr auf Control zugreifen. Natürlich kann die Discovery die Station nicht einfach anfliegen, sondern muss erst ein Minenfeld passieren. Die Minen, ausgestattet mit rotierenden Sägeblättern, setzen der Discovery auch ordentlich zu und erinnern, wie auch die Station selbst, an Technik aus den Marvelfilmen. Es ist auch wieder mal Michael Burnham, die den passenden Einfall hat. Einfach willkürlich ausweichen, lautet die Empfehlung, schon lässt sich die KI überlisten.

Hinters Licht geführt

Dort angekommen kassiert die Crew eine Standpauke von einer Logikextremisten, die als Admiral offenbar Sektion 31 leitet. Dieses Konzept habe ich schon beim letzten Mal nicht verstanden. Logikextremisten. Das sind die, die Terroranschläge im Namen der Logik verüben. Klingt für sich alleine genommen schon höchst unlogisch. Offenkundig steht den Terroristen auch noch in die Führungsetage der Sternenflotte offen. Das ist noch sehr viel unlogischer.

Wie auch immer. Pike und Admiral Cornwell trauen der Vulkanierin, die behauptet, im Namen der Sternenflotte zu handeln, keinen Millimeter über den Weg. Kurzerhand lassen sie ein Außenteam herüberbeamen, das unter anderem aus Burnham und Airiam besteht. Die treffen auch alsbald auf die Admiralstante – oder das, was von ihr übrig ist. Sie fällt Burnham als Eisleiche vor die Füße.

Währenddessen wird Saru auf der Discovery klar, dass sie nur ein Hologramm der Admiralin auf dem Schirm hatten. Erkennbar an den offenbar standardmäßig übertragenen Wärmesignaturen. Dem aufmerksamen Zuschauer stellt sich die Frage, warum das nicht längst ein Alarmlämpchen hat blinken lassen. Nun bemerkt Saru ebenfalls, dass der angebliche Beweis gegen Spock denselben Fehler in der Wärmesignatur zeigt. Seltsam, dass das in all den Wochen, die man Spock schon des Mordes bezichtigt, nie jemandem aufgefallen ist.

Auf Nimmerwiedersehen

Unterdessen wird der Besatzung der Discovery klar, dass Airiam etwas im Schilde führt. Dieses Mal ist es Wunderkind Tilly, die beiläufig bemerkt, dass Airiam all ihre Lieblingserinnerungen auf der Discovery gelassen hat. Da ist es schon zu spät. Airiam hat das Außenteam längst ausgeschaltet, nur Mary Sue, pardon, Michael Burnham leistet noch erbitterten Widerstand. Sie kann die Halbroboterdame mit letzter Kraft in einer Luftschleuse einsperren und dringt sogar zu ihr durch. Zumindest ein Stück weit. Airiam kann zwar sprechen, aber hat keinerlei Kontrolle über ihre Motorik. Derart ferngesteuert überträgt sie das Wissen der einige Wochen zuvor aufgetauchten Supersonde langsam auf die KI der Raumstation, die sich damit zur Über-Entität aufzuschwingen gedenkt.

Genau hier rächt sich, dass man Airiam nicht schon eher etwas Screentime gewidmet hat. Man nimmt den Charakteren nicht ab, dass sie die Situation emotional überfordert. Airiam, die von allen geschätzte Freundin – wie gesagt, davon hört man zum ersten Mal. Als Burnham es nicht fertig bringt, Airiam aus der Luftschleuse zu pusten, erleidet sie wieder mal einen ihrer Zusammenbrüche. Die Stirn kraus gezogen, die Augen aufgerissen. Wahrlich, Sonequa Martin-Green ist eine katastrophal schlechte Schauspielerin.

Glücklicherweise betätigt ein doch nur scheintotes Mitglied des Außenteams in letzter Sekunde den Hebel. Tilly darf ihrer Freundin, bevor sie ins All hinaus gezogen wird, noch eine ihrer liebsten Erinnerungen überspielen. Auf der Brücke folgen diverse Nahaufnahmen auf tief betroffene Gesichter. Jeder darf jetzt einmal schlucken und blinzeln. Adrian ist tot und die Mission fürs Erste gerettet.

Skynet will die Welt vernichten

Bevor Airiam aus der Luftschleuse flog, erfuhr der Zuschauer noch, dass Control jene sinistere Macht sein wird, die in der Zukunft alles Leben im bekannten Universum auslöscht. Warum müssen KIs, wenn sie sich entwickeln, eigentlich immer den Weltuntergang herbeiführen? Zum Glück gibt es noch den Roten Engel, der schon in den letzten Folgen manches Ungemach verhindert hat.

Das letzte Wort ist natürlich nicht gesprochen und auch das Schicksal des Engels weiterhin ungewiss. Mittlerweile glaube ich, dass es sich beim Engel um Michael Burnham handelt. Das legen auch Airians letzten Worte nahe, die sie noch schnell mit einem Hinweis auf des Projekt Daedalus ausspuckt. Alles drehe sich nur um Michael, immer, beklagt sie. Sogar Control wolle sie tot sehen. Damit geht es der KI nicht anders als dem Zuschauer. Auch er ist Burnham mittlerweile überdrüssig. Bleibt zu hoffen, dass die Macher wenigstens noch in puncto Roter Engel überraschen.

Loben muss man natürlich einmal mehr Jonathan Frakes für die gute Inszenierung. Das Pacing ist viel angenehmer als zuletzt, das Lensflaregewitter vergangener Episoden hat sich aufgelöst. Das ändert nur leider nichts am beliebigen Look der Serie mit ihren Allerweltdesigns, der schummrigen Beleuchtung und den klinischen Kulissen. Discovery transportiert nun mal nicht den Stil vergangener Star Trek-Serien.

Fazit

Star Trek: Discovery ist mit „Project Daedalus“ wieder da angelangt, wo es mit bisher nur einer Ausnahme immer gewildert hat: im Tal der Banalitäten, unüberlegten Wendungen und schlecht gespielten Gefühlsausbrüche. Das, Michelle Paradise, war kein guter Einstand.

Immerhin wurde die Handlung ein gutes Stück vorangebracht. Das hätte man aber auch ohne Klischees wie die Menschheit vernichtende KIs gekonnt und ohne den Charakter des Mr. Spock noch weiter zu verunstalten. Müsste ich eine Schulnote abgeben, wäre es ein Mangelhaft.

Zusätzliche Bildnachweise: CBS/ Netflix

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