Kiefer Sutherland und das Donald Trump-Trauma

Designated Survivor startete einst vielversprechend, entwickelte sich mit der zweiten Staffel aber zur typischen „Problem der Woche“-Show. Erst abgesetzt, übernahm Netflix die Serie um den von Kiefer Sutherland gespielten Notfall-Präsidenten. Nun ist Staffel 3 erschienen. Wieder mit neuem Showrunner und vielversprechendem Plot.

Als ein Terroranschlag auf das Kapitol die komplette Führungsriege der Vereingten Staaten auslöschte, musste der bis dahin kaum bekannte Bauminister Tom Kirkman, der Designated Survivor, das Heft in die Hand nehmen. Obwohl die Serie nicht an einem Stück, sondern häppchenweise pro Woche freigeschaltet wurde, bot sie vom ersten Tag an eine durchgängige Geschichte. Damals habe ich gerne Woche für Woche eingeschaltet.

Staffel 2 fiel deutlich ab

Kirkman hatte zu dem Zeitpunkt eine verdammt knifflige Aufgabe. Er musste die USA im Angesicht der Katastrophe zusammenhalten, ein gänzlich neues Kabinett ins Leben rufen, zwischen gut- wie schlechtgemeinten Ratschlägen abwägen, aufmüpfige Gouverneure abwehren, Zweifler eines Besseren belehren und obendrein noch eine Verschwörung beträchtlichen Ausmaßes aufdecken. Ausgerechnet Kirkman, der unscheinbare Antipolitiker ohne Machtambitionen.

In Staffel 2 folgte die Metamorphose. Die Terroristen waren besiegt, die Verschwörung aufgedeckt und die Regierung, immer noch ein bunt zusammengewürfelter Haufen, ging über zum Business as usual. In der einen Woche eine Naturkatastrophe, in der nächsten ein mürrischer Erdogan-Verschnitt. Jedes Mal das nächste drohende Fiasko. Die Lage schien stets aussichtslos, bis Kirkman oder einem seiner Vertrauten im letzten Moment die ultimative Lösung in den Schoß gelegt wurde. Mit der konnte man es allen fünf Minuten vor Ende recht machen und musste sich nicht einmal verbiegen. Die Politik der einfachen Lösungen wurde Programm.

Obwohl es mit Akteuren, die an seinem Stuhl sägten, dem des illegitimen Präsidenten, immer noch einen parallel laufenden roten Faden gab, nutzte sich Schema F von Folge zu Folge ab. Dass Kirkman unter tragischen Umständen Witwer wurde, machte die Serie zwar emotionaler, aber ebenfalls nicht besser. Die allzu leicht gelösten Probleme der Woche stießen offenbar nicht nur mir sauer auf. Die Quoten rutschten im Verlauf der zweiten Staffel in den Keller, sodass ABC die Serie nicht weiter verlängerte.

Netflix rettete die Show

Netflix, bis dahin nur für den internationalen Vertrieb zuständig, erwies sich als Retter in der Not. Mit der Begründung, dass Designated Survivor international gut laufen würde, wechselte es vollständig zum Streaming-Anbieter. Bis dahin hatte die Serie bereits mehrere Showrunner-Wechsel zu verzeichnen und auch Netflix entschied, den Chefposten mit Dr. Neal Baer noch einmal neu zu besetzen. Skepsis nach dem neuerlichen Wechsel war durchaus angebracht – erwies sich jedoch als unbegründet. Der Wechsel an der Spitze hat sich dieses Mal gelohnt.

Ja, auch in Staffel 3 steht der titelgebende Plot nicht mehr im Vordergrund. Die Terror-Story und die Nummer mit dem Kabinett sind nun mal Geschichte. Trotzdem hat man zum alten Ton zurückgefunden. Kirkman, der Präsident wider Willen, wird nun jedoch offiziell antreten. Wieder als Antithese zur amerikanischen Politelite. Angespornt von der Tatsache, dass sein an die frische Luft gesetzter Außenminister, einst selbst Präsident der Vereinigten Staaten, das Ruder noch einmal übernehmen möchte. Auch den Demokraten ist parteipolitisches Kalkül wichtiger als das Programm. Kirkman muss also Nägel mit Köpfen machen und sich als Unabhängiger positionieren. Das lässt seine Chancen natürlich erst einmal gegen Null laufen.

Gesellschaftskritik direkt aus dem Weißen Haus

Und da sind wir nun beim Trump-Trauma anbelangt. Kirkman und seine Mannen stehen im Wahlkampf für alles, wofür der Twitter-Präsident nicht steht. Kirkman fungiert gleichzeitig als Anti-Hillary, als dritte Option, die viele Amerikaner vor zweieinhalb Jahren gerne gehabt hätten. Die Themen liefern ihm Kabinettsmitglieder und andere Personen aus seinem Umfeld. Da ist zum Beispiel der Latino Aaron Shore als potenzieller Vizepräsident, der einfach nur Amerikaner sein möchte und dafür von allen Seiten Konter kriegt. Die einen mit dem Argument, er verleugne seine Wurzeln. Für die anderen ist er bloß Kirkmans Quoten-Mexikaner.

Kirkmans Sonderberaterin Emily Rhodes konfrontiert den Zuschauer mit dem Thema Sterbehilfe. Der Ausgang des Nebenplots um ihre krebskrankte Mutter, die rechtzeitig gewisse Medikamente ordert und sich über eine Patientenverfügung absichert, dürfte das Blut religiöser Dogmatiker regelrecht in Wallung bringen.

Auch die Pharmaindustrie spart die Geschichte nicht aus. Das in den USA hochbrisante Thema verflechten die Verantwortlichen über den neuen Stabschef mit der Handlung. Der findet heraus, dass ein süchtig machendes Schmerzmittel nie hätten zugelassen werden dürfen. Nur heimlichen Absprachen ist es zu verdanken, dass es trotzdem zur Marktreife gelangte. Praktischerweise hat der produzierende Konzern schon ein Gegenmittel zur Suchtbehandlung in der Pipeline. Die suchtkranke Gemahlin des Stabschefs, die Ehe liegt nach zahllosen Rückfälle und wegen seines Arbeitspensums in Trümmern, wird sogar für eine Studie ausgewählt. Der Teufelskreis hat nun allerdings ein Ende. Erst feige und mit dem Strom schwimmend, nutzt der Berufspolitiker seine Macht, um den Konzernen das Handwerk zu legen. Es klicken sogar Handschellen.

Weniger ist manchmal mehr

Dass derartige Belange das Volk umtreiben, veranschaulichen die Autoren mehrmals mit Bezügen zur Wirklichkeit. Als Kirkmans Schwägerin, verkörpert übrigens von einer echten Transsexuellen, als Zuhörerin einem Treffen Gleichgesinnter beiwohnt und sie einfach erzählen lässt, handelt es sich um ein echtes Treffen mit echten Betroffenen. Auch die Videobotschaften aus der Bevölkerung, die sich Kirkman abends am Tablet ansieht, sind echt. Gleiches gilt für Suchtkranke, die sich in der Serie an die Öffentlichkeit wenden. Eigens gedreht wurde das nicht.

Man kann den Produzenten durchaus vorwerfen, Politik zu machen. Der Vergleich mit House of Cards drängt sich dabei aber nur bedingt auf. Denn während Francis Underwood eine Intrige nach der nächsten sponn, zeigt Kirkman, wie es jemand macht, der ausnahmsweise mal kein Arschloch ist. An seinem Beispiel werden die Probleme des Landes reflektiert – nicht pervertiert. Die Autoren schießen nach meinem Dafürhalten zuweilen aber auch über das selbst gesteckte Ziel hinaus.

Ob der homosexuelle Millennial, der hauptberuflich Kirkmans Online-Kampagne leitet und mit einem der Secret Service-Agenten liiert ist, auch noch aus dem Ghetto stammen und Aids haben muss? Es wirkt auch etwas an den Haaren herbeigezogen, dass ausgerechnet Kirkmans Schwägerin als Mann zur Welt kam. Weniger wäre manchmal mehr. Es ist den Autoren gewiss hoch anzurechnen, dass sie alle Minderheiten mit ins Boot holen. Die enge Verflechtung sämtlicher Probleme der Gesellschaft mit dem direkten Umfeld des Präsidenten schadet aber auch der Glaubwürdigkeit der Geschichte.

Wenn man sich Rechtsaußen anbiedert

Weil bei drei Fraktionen für alle weniger vom Kuchen bleibt, biedert sich Kirkmans republikanischer Widersacher Cornelius Moss der extremen Rechte an. Das nimmt Kirkman seinem Konkurrenten ziemlich krumm. Moss galt einst als moderater Brückenbauer. Darum hatte ihn Kirkman zeitweise auch als Außenminister im Kabinett. „Was soll ich denn machen?“, gibt Moss bei einer zufälligen Begegnung hinter der Bühne unumwunden zu. Irgendwo müsse man seine Stimmen ja herkriegen.

Kirkman sind derartige Possen zuwider, dennoch kommt auch er nicht umhin, sich zu verbiegen. Weniger zwar, als seine Konkurrenten es tun, doch schließlich muss auch er sich den Spielregeln fügen, wenn er im Meer aus Lügen, Populismus, windigen Versprechungen und milliardenschweren Sponsoren Oberwasser behalten will. Als Zuschauer sieht man ihn dabei richtiggehend leiden. Als Moss sich darüber lustig macht, dass Kirkman seine Schwägerin, die fest für einen Auftritt eingeplant war, in konservativen Gefilden wohl doch daheim vergessen haben muss, sitzt der Schlag tief. Auch wenn er in solchen Momenten Reue zeigt: Im Laufe der Staffel wird sich Kirkman immer häufiger rechtfertigen. Wenn er sich nicht verbiegt, gewinnt eben ein anderer und das würde alles Erreichte zunichtemachen.

Dabei schäumt er anfangs noch vor Wut, als seine Wahlkampfleiterin vorschlägt, perfide Gerüchte über seine Gegner zu streuen. Die macht es, gewieft wie sie ist, natürlich trotzdem – und wenn sie dafür geltendes Recht brechen muss. Im Finale liegt die Entscheidung bei Kirkman, ob er davon profitiert oder ihre Machenschaften öffentlich macht. Letzteres könnte ihn zwar die Präsidentschaft kosten, doch er bliebe sich als Antipolitiker treu.

Auch Terrorismus ist wieder Thema

Parallel zum Wahlkampf versucht sich Designated Survivor als Thriller. Die in Staffel 2 noch geschasste Hannah Wells ermittel teils unabhängig, teils als NSA-Agentin im Zusammenhang mit genetisch manipulierten Erregern, die anscheinend nur Farbige krank machen. Auch hier schlägt die Serie wieder den Bogen zu aktuellen Entwicklungen. Die Aussicht, dass Schwarze und Latinos bei gleichbleibender Bevölkerungsentwicklung in 50 Jahren die Bevölkerungsmehrheit stellen, versuchen rechte Kreise offenbar abzuändern. Über verschiedene Ecken und Akteure ist auch Moss unwissendlich Teil dieser Szene. Die Botschaft dahinter ist eindeutig: Schaut her, lieber Politiker, was passiert, wenn ihr euch Rechtsextremisten anbiedert. Ihr verbrennt euch nur die Finger!

Auch dieser Plot ist interessant, aber längst nicht so packend inszeniert wie in einer reinen Agentenserie. Das heißt nicht, dass er schlecht umgesetzt wäre. Er ist schon noch für die ein oder andere Überraschung gut. Dazu gehört auch der Tod eines wichtigen Charakters. Das hätte ich den Verantwortlichen, so sympatisch sie ihre Protagonisten zeichnen, gar nicht zugetraut.

Fazit

Designated Survivor macht in Staffel 3 wieder vieles richtig. Die Autoren halten den Amerikanern, aber auch der westlichen Gesellschaft, unter Einbindung zahlloser Minderheiten den Spiegel vor. Mag sein, dass sie damit ihr Trump-Trauma verarbeiten. Sie rechnen jedoch auch mit der Politik als Ganzes ab. Verdient, möchte man fast rufen.

Manchmal meint es die Serie auf Kosten der Glaubwürdigkeit auch zu gut mit ihren Weisheiten. Dafür ist es spannend, wenn auch nicht ganz überraschend zu sehen, dass selbst ein Tom Kirkman zu unmoralischen Mitteln greifen muss, um in der perfiden Maschinerie des US-Wahlkampfes nicht unter die Räder zu kommen.

Den Nebenplot um rechtsextreme Terroristen halte ich für keine Offenbarung, dank einiger Wendungen aber für gut genug, um das Gesamtprodukt abzurunden. Eine vierte Staffel schaue ich mir gerne an und hoffe, dass sich die Serie, wenn nicht erneut steigern, wenigstens auf dem Niveau einpendeln kann.

Zusätzliche Bildnachweise: Netflix und M. Nozell, bildbearbeitet durch mich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert