Den Einzehandel kann man vergessen

Ich weiß schon, warum ich inzwischen alles online kaufe. Überfüllte Kaufhäuser, fragwürdige Klientel, verspätete Züge, alternativ keine Parkplätze und Fahrradverbote, schlecht ausgebildetes Personal und zu guter Letzt: unverschämt hohe Preise. Wie kann es bitte sein, dass ich im Einzelhandel teilweise das Dreifache für dieselben Produkte zahle?

Gestern hat es mich trotzdem mal wieder dorthin verschlagen. Hintergrund war der, dass ich mir eine neue Tastatur zulegen wollte. Und die probiert man am besten vorher aus. Angetan hatte es mir die Roccat Vulcan Aimo 121. Die sah nicht nur auf den Bildern gut aus, sondern lockte mich auch noch mit einer interessanten Schalter-Technik. Mit den Titans hat sich Roccat nämlich eine Alternative zu den beliebten MX-Browns erdacht. Ähnlich angenehm für Vielschreiber und Spieler, aber mit etwas verkürztem Anschlag.

Saturn hatte das Ding sogar da. Im Gegensatz zu anderen Modellen kaum teurer als bei Amazon und Konsorten. Hätte ich, da sich wirklich verdammt gut drauf schreiben ließ, direkt mitgenommen. Leider gab es die Tastaur nur in Grau, mindestens zehnmal, aber keine einzige Schwarze. Also probierte ich mein Glück bei Conrad. Ist in Dortmund ja gleich um die Ecke. Dort hatte man aber nicht eine einzige mechanische Tastatur in der Auslage. Nur den billigsten Rubberdome-Schrott in x Varianten. Gut, wo ich eh schon mal da war – zumal aufrüstwillig wie ich aktuell bin – sah ich mich noch ein bisschen um. Dabei huschte mir das ein oder andere Grinsen übers Gesicht.

Noch schnell mit altem Plunder zur Kasse bitten

Mir ist schon klar, dass Einzelhändler nicht mit Versandriesen mithalten können. Nur: So klein ist Conrad nicht. Und ob es wirklich sein muss, dass ein Prozessor wie der Ryzen 2700X 345 Euro kostet? Im Netz schlägt der aktuell mit 250 Euro zu Buche. Billig ist der schon seit Wochen, Ryzen 3000 sei Dank hatte sich das die letzten Tage noch mal beschleunigt. Wie will man da noch steinalte UVPs rechtfertigen? Von Ryzen 3000 fehlte natürlich jede Spur. Kein Wunder, dass Technikbegeisterte solche Läden inzwischen wie der Teufel das Weihwasser meiden. Selbst Kleinscheiß kriegt man woanders billiger.

Neben den Prozessoren lag auch noch ein „PC-Aufrüst-Set“ in der Auslage. Das versprach „aufeinander abgestimmte Komponenten“ für stolze 640 Euro. Und was war`s? Eine 250-Euro-CPU auf einem Board für 90 Euro. Opa Gerhard mag das ja voll super finden, wenn der Fachmann im Labor durch seine Lupenbrille linsend schon alles für ihn aufeinander abgestimmt hat. Alle anderen durchschauen die Märchenstunde. Dem Ryzen 2700X des Aufrüst-Kits ist es fast egal, welches Board man ihm unterjubelt, solange es offiziell kompatibel ist. Das kann sich jeder in fünf Minuten zusammengooglen. Bevor ich es vergesse: 16 GiByte Arbeitsspeicher waren auch noch dabei, die machen mit vielleicht 60 Euro den Kohl aber auch nicht mehr fett. So schwierig ist das Einsetzen von RAM und CPU auch nicht, dass es einen 250-Euro-Aufschlag rechtfertigt. Wer in der Lage ist, ein Mainboard einzubauen, sollte den Rest auch noch irgendwie hinkriegen.

Billige Netzteile als Empfehlung

Ein Regal weiter entdeckte ich die Netzteile. Da stellte man doch ernsthaft die nach deutschen Städten benannte „German Series“ von Themaltake prominent an die Verkaufsfront. Immerhin fand sich noch das solide Pure Power von Be Quiet! in verschiedenen Ausführungen ein Regalbrett höher und zu meiner großen Überraschung fielen die Preise für den Einzelhandel sogar moderat aus. Auf wundersame Weise hatte sich sogar ein einzelnes Dark Power Pro verirrt. Die Crème de la Crème des Herstellers. Bei Conrad natürlich nur in der 1000-Watt-Ausführung, während die beliebte Straight Power-Reihe gänzlich fehlte. Nur Einsteigernetzteile oder gleich das 1000-Watt-Extrem.

Am nächsten Tag musste ich noch mal nach Saturn. Dieses Mal wollte ich ein Adapterkabel mitnehmen, weil meine neue Grafikkarte keine DVI-Ports mehr anbietet, mein in die Jahre gekommener Monitor aber nicht mit HDMI und Displayport klarkommt. 15,99 Euro wollten die dafür haben. Für das einfachste Kabel, das man sich vorstellen kann. Bei Amazon bekomme ich das für knapp über 5 Euro, Prime sei Dank ohne Versandkosten. Den einen Tag habe ich dann halt in den sauren Apfel gebissen. Ich bezahle nicht das Dreifache dafür, dass jemand China-Ware ins Regal hängt.

Mich habt ihr verloren

Und da klagt der Handel, dass er gegen das Internet keine Chance hat. Selbst schuld, würde ich sagen. Selber haben Ketten wie Saturn die deutsche Elektronikbranche samt Fachhändler auf dem Gewissen, nun schlägt das Pendel halt zurück. Dabei könnte esder Handel, wenn zwar nicht ganz abwenden, wenigstens abmildern: bessere Preise in Kombination mit einem echten Mehrwert.

Natürlich braucht ein Händler andere Margen, aber es gibt sicherlich auch einen gesunden Mittelweg. Eine Riesenauswahl verlange ich ebenso wenig. Eine gute Zusammenstellung wäre schon die halbe Miete. Inzwischen wissen nämlich auch DAUs, wie man Preisvergleiche bedient und herausfindet, was gerade angesagt ist. Das sind weder Billignetzteile mit teutonischen Namen noch 20 verschiedene Schrotttastaturen – und erst recht keine Auslaufmodelle und Strippen zu Mondpreisen.

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